Navigation:  »No topics above this level«

Sa. 1.10.   Souillac

NächsteAnfangNächste

In der Nacht gibt die Leichtluftmatratze endgültig ihren Geist auf. Ignorieren hilft nur eine Weile, wegen der Bodenkälte. Ich habe nicht genügend Sachen, um einen isolierenden Unterbau anzufertigen. Mit dem Kajaksitz als Unterlage geht es dann so halbwegs. Der Morgen ist feucht und trüb, es nieselt mal wieder. Es hört dann wieder auf, für einige Minuten sogar Sonne, aber als dann alles zusammengepackt und im Boot verstaut ist (Plastiktüten sind dem Wanderer ein Segen: mit Fellen und Textilien wäre das nur schwer hinzukriegen), sitze ich am Ufer der Dordogne, rauche eine Zigarette, und es kommt mir der Gedanke: „So richtig Spaß macht mir diese Reise nicht mehr.“  Und dann: „Arbeiten und Fernsehen wäre gar keine schlechte Alternative.“

Nachdem ich diesen Gedanken an mich herangelassen habe, verliert er den anfänglichen Schrecken von Aufgabe und Niederlage: ist ja bei mir nicht so wie bei normal arbeitenden Menschen, wo der Jahresurlaub einfach klappen muss. Technisch ist das machbar: das Tempo der Dordogne ausnutzen und in schneller Fahrt abrauschen nach BERGERAC oder so, Zimmer nehmen, warm duschen und fein essen. Dort in Ruhe umpacken und auf die Bahn.

Na bitte, es geht doch! Schau´n wir mal!

Erst mal nach SOUILLAC, vielleicht kriege ich ja dort doch, was ich brauche. Zu Fuß war es eine stramme halbe Stunde, im Boot bin ich in einer Viertelstunde dort.

SOUILLAC, Hauptportal innen: sind das nicht Viecher!
SOUILLAC, Hauptportal innen: sind das nicht Viecher!

SOUILLAC, Hauptportal, romanisches Geschlinge
SOUILLAC, Hauptportal, romanisches Geschlinge

 

Und siehe da, in Souillac  gibt es eine QUINCAILLERIE  („Eisenwarenhandlung“?) - ein schwerer kultureller Mangel, dass diese Einrichtung in Deutschland fast ganz verschwunden ist, ein Laden für das, was man braucht, nicht ein Kaufhaus, wo man zum Kaufen von allem Möglichen und Unmöglichen animiert werden soll. Und alles auch in Kleinstmengen, bis hin zu Schrauben und Kleinteilen. Vorne ist meist mehr oder weniger edles Geschirr, und nach hinten zu gibt’s dann die nützlichen Sachen. Eine gute Luftmatratze hat es auch, aber nur eine Doppelmatratze mit genau der Grundfläche meines Zelts. Aber 200 Meter weiter gibt es wieder einen Laden, der auch nicht die geringste Andeutung macht, dass es dort Luftmatratzen geben könnte. Stimmt auch, es gibt dort keine Luftmatratzen, sondern genau eine. Der Preis ist erfreulich mäßig.

Meine Hose ist eingerissen. Es gibt einen Ramschladen, der offenbar etwas von der kürzlich eingelassenen großen chinesischen Textilsendung abbekommen hat. Dort erstehe ich äußerst preiswert ein Paar Jeans und fühle mich wieder ausgehfähig. Es nieselt  zwar mal wieder, aber die Einkaufstour war so erfolgreich, dass meine Stimmung sich deutlich hebt. Ein großer Milchkaffee,  Entenlebermousse, Ziegenkäse, ein örtliches Walnusstörtchen, frische Walnüsse und acht hausgemachte Pralinen: diese „Einkaufsorgie“ tut mir gut. Das Abendessen ist entsprechend lecker und luxuriös. Mal sehen, wie es morgen wird. Für mindestens zwei Tage bin ich gut versorgt, drei bis vier lässt es sich aushalten.

Es wird behauptet, die Gänse lassen sich gerne stopfen.
Es wird behauptet, die Gänse lassen sich gerne stopfen.

Die Gegend hier ist bekannt für ihr einfach-kräftiges Essen: Gänse und Enten sieht man überall, aber keine Massentierhaltung. Angeblich kommen die Gänse zum Gestopftwerden gerne und freiwillig. Walnussbäume überall. Die schwarzen Trüffeln des Perigord sind weltberühmt. Ein Designerfreund hat mich mal zu Trüffeln eingeladen; wir stimmten überein: sooo toll schmeckt das nun auch wieder nicht (Rainer: „schmeckt etwas wie Ofenrohr innen“), wenn auch schon sehr gut. Aber nicht wirklich für den Preis.

Der Pegel der Dordogne ist überraschend einen halben Meter gefallen. Noch mal so und es würde richtig gemütlich.