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Mi.  5.10.   Kein Zug, kein Zimmer

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So war das gestern noch gedacht: zügig Richtung BUISSON paddeln, ein Zimmer nehmen, duschen, essen gehen. Gemütlich reisefertig machen, zum Bahnhof gehen und umbuchen und ab nach Hause. War mal wieder anders. Da ich meine Wäsche nicht mehr einteilen muss, zeihe ich mehrere Lagen Unterhemden an, so  friere ich dann nachts nicht wirklich. Da BUISSON wirklich nichts zu bieten hat, gehe ich es gemütlich an, der Zug geht ja erst um 18:19 Uhr. Ich packe wieder alles zusammen und freue mich über den neuen Roller, mit dem das Gepäck zwar immer noch heftig zu ziehen ist, aber die ersten paar Hundert Meter gehen leicht.

Am Bahnhof bringe ich mein Anliegen vor. Der Schaltermensch ruhig, gelassen und geduldig, auch wenn das Ganze einige Versuche am Computer, Rücksprache mit dem Kollegen und zwei Telefonate mit irgendeiner Auskunftsstelle erfordert. Leider ist der Nachtzug TOULOUSE – GENF, ohne den das Ganze nicht funktioniert, restlos ausgebucht, nicht einmal ein einfacher Sitzplatz ist zu haben. Das schockt mich dann doch, denn das heißt: noch einen Tag in BUISSON, sozusagen für nichts und wieder nichts. Eine frühere brauchbare Verbindung ist auch nicht zu haben. Dem Schaltermenschen fällt auch keine Übernachtungsmöglichkeit ein. Er telefoniert für mich sogar, gibt dann aber auch auf. Also wieder das Gepäck an den Fluss zerren. Nach zweihundert Metern zerre ich mein Gepäckwägelchen etwas zu hastig vor einem herankommenden  Auto auf den schmalen Bürgersteig, es macht „kracks“ und das Wägelchen ist irreparabel hin.

Zum ersten Mal auf der Reise packt mich so etwas wie leise Verzweiflung. Ich traue mir nicht zu, das Gepäck zum Zeltplatz und dann wieder zurück zum Bahnhof zu schleppen.

Jetzt bin ich so weit, andere um Hilfe anzugehen. Ich treffe auf Bäcker Joujou, der in Deutschland war. Der hat Familie im Elsass, Verwandte in München und ist bekennender Faschist: Verwandte haben in der deutschen Wehrmacht gedient, und da ging´s zackig und männlich zu. Er empfiehlt mir eine garantiert nicht geschlossene Auberge, die angeblich nur einen Kilometer weg ist und verabschiedet sich auf Deutsch mit „Auf Wiedersehen“ und Hitlergruß. Nach über einem Kilometer ist die Herberge noch nicht da, sondern wahrscheinlich noch mal fast einen Kilometer, und zwar bergauf. Ich frage Leute, die vorm Haus eine Art Boule spielen. Ja, das da oben ist die Herberge. Ich bin vom Schleppen so geschafft, dass ich erst  mal alles absetze, um mich für diesen Anstieg zu wappnen. Da bietet mir Herr Juillard eine „monté“ an (mich hinzufahren). Überglücklich nehme ich an, lasse mich absetzen und bedanke mich vielmals. Ich gehe zur Tür um zu klingeln und sehe ein Schild „Am 4. und 5. Oktober geschlossen.“ Ich renne verzweifelt dem abfahrenden Herrn J. hinterher, schaffe es gerade noch ihn zum Anhalten zu bekommen. Er kennt anscheinend alle und jeden, redet mit Leuten, telefoniert herum, aber es ist wohl wirklich nichts zu bekommen. Er fährt mich dann zum Fluss, was mir eine große Erleichterung ist: ich weiß inzwischen, ich kann es schaffen, das Gepäck zum Bahnhof zu schleppen. Jetzt ist mir wieder wohler.

Also wieder auspacken, Zelt aufbauen. Es ist noch früh am Abend, jetzt wird ja wohl noch ein Restaurant offen haben, so  dass ich meine Reisevorräte nicht verbrauchen muss. Ich latsche – ohne Gepäck, wie angenehm!  - ins Städtel. Neuer Trick: das einzige Restaurant hat (heute?) ab 18:30 nur Pizza und das auch nur zum Mitnehmen. Na ja, passt! Eine konsequente Gegend.